Eierstockkrebs: Innovativer Forschungsansatz identifiziert Zielproteine für potentielles Anti-Tumor-Medikament Rhenium-Tricarbonyl (TRIP)

Wissenschafter des Forschungsinstituts Krems Bioanalytics der IMC Krems entdeckt mittels Chemoproteomik das Gerüstprotein NUBP2 als vielversprechenden Kandidaten.

Mit dem Einsatz einer innovativen Forschungsmethode gelang die Identifikation von Zielproteinen für das potentielle Anti-Tumor-Medikament Rhenium-Tricarbonyl (TRIP) in Eierstockkrebszellen. Von den mittels Chemoproteomik identifizierten 89 Proteinen ist das Gerüstprotein NUBP2 ein vielversprechender Ansatzpunkt für den erst kürzlich entdeckten antitumoralen Wirkstoff. Dies sind die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie eines internationalen Forschungsteams der Universität Wien und der Cornell University rund um Benjamin Neuditschko, nun Wissenschafter an der IMC Fachhochschule Krems (IMC Krems), die kürzlich im Journal Angewandte Chemie International Edition erschienen ist. Darin wurde einerseits genauer analysiert, mit welchen Krebszellproteinen TRIP wechselwirkt und andererseits die Auswirkungen von verschiedenen TRIP-Dosierungen auf die Gesamtheit der Krebszellproteine verglichen. Die so gewonnenen Daten deuten darauf hin, dass NUBP2 als Ausgangspunkt für den TRIP-induzierten Zelltod der Krebszellen fungiert und das potentielle Medikament bereits in einer sehr geringen Dosis wirkt.

Illustration
Bildquelle: IMC Krems

Bei der Entwicklung von Anti-Tumor-Medikamenten ist die Identifizierung von Zielproteinen als Ansatzpunkt für den Wirkstoff in den Krebszellen wichtig. So können potentielle Polypharmakologien – die Wirkung auf mehrere Proteine – aufgedeckt und mögliche Nebenwirkungen gering gehalten werden. Eine neue Methode zu einer solchen Identifizierung ist die Chemoproteomik. Dies ist eine Schlüsseltechnologie zur Charakterisierung der Wirkungsweise von Arzneimitteln, mit der sich feststellen lässt, auf welche zellulären Proteine das Medikament wirkt. Um einen aussichtsreichen Zielprotein-Kandidaten in Eierstockkrebszellen zu identifizieren, entwarf ein internationales Forschungsteam um Dr. Neuditschko, seit kurzem Wissenschafter an der IMC Krems, ein auf Chemoproteomik basierendes Studiendesign. Damit konnte die Frage geklärt werden, welche Proteine mit dem erst kürzlich neu entdeckten Anti-Tumor-Wirkstoff Rhenium-Tricarbonyl (TRIP) interagieren und wie sich TRIP auf die Zusammensetzung des Proteoms – die Gesamtheit aller Zellproteine – auswirkt.

Smartes Studiendesign identifiziert 89 Zielproteine

„Für unsere Studie haben wir uns einen neuen und kombinierten Forschungsansatz überlegt, indem wir einerseits chemoproteomische Untersuchungen an Krebszell-Lysaten mit unterschiedlichen TRIP-Dosierungen durchgeführt und uns andererseits auch die Auswirkungen der TRIP-Behandlung auf die lebenden Eierstockkrebszellen angeschaut haben“, erklärt Benjamin Neuditschko. „Auf diese Art konnten wir insgesamt 89 Zielproteine dosisabhängig identifizieren und auch herausfinden, auf welches dieser Proteine TRIP möglichst effizient wirkt.“

Gerüstprotein NUBP2 ist vielversprechender Kandidat für TRIP

Die komplexe Analyse der 89 möglichen Zielproteine für TRIP grenzte die Auswahl auf zwei Proteine ein. Von diesen erwies sich letztlich das Gerüstprotein NUBP2 als am aussichtsreichsten, weil es bereits bei sehr geringen und nicht zytotoxischen TRIP-Dosen mit dem Wirkstoff interagiert. NUBP2 ist in den Krebszellen an für deren Überleben wichtigen Stoffwechselprozessen beteiligt:  Wird dieses Protein durch TRIP kompetitiv gehemmt, führt dies in letzter Konsequenz zum Zelltod (Apoptose) der Tumorzellen. „Genauer gesagt“, führt Dr. Neuditschko aus, „ist NUBP2 ein Biogenesefaktor, der für die Produktion von Proteinen mit Eisen-Schwefel-Clustern, die als Co-Faktoren in vielen essentiellen zellulären Stoffwechselprozessen eine Rolle spielen, unerlässlich ist. Die Behandlung der Eierstockkrebszellen mit nanomolaren – also sehr geringen – Konzentrationen von TRIP führt zu einer drastischen Reduktion der Fe-S-Proteine, wodurch überlebenswichtige Vorgänge wie die Zellatmung nicht mehr stattfinden können und die Tumorzellen absterben.“

Die aus dieser präklinischen Studie gewonnen Erkenntnisse sind insofern für weiterführende Forschungsarbeiten interessant, als TRIP via Hemmung von NUBP2 die Biogenese von Fe-S-Clustern in den Tumorzellen bereits in sehr geringen und daher nicht generell zytotoxischen Dosen stört – ein wichtiger Faktor auf der Suche nach möglichst spezifischen und nebenwirkungsfreien Krebsmedikamenten.

Forschung auf exzellentem Niveau

Benjamin Neuditschko und sein Team führten die Forschungsarbeiten für diese aktuelle Studie an der Universität Wien und der Cornell University durch. Sein anschließender Karriereweg führte Dr. Neuditschko nun an das Institut Krems Bioanalytik, wo er seine Expertise im Bereich der präklinischen Analytik weiter ausbauen und der Industrie – und damit der „angewandten Forschung“ – zur Verfügung stellen kann.  Das Institut bietet seit 2014 Auftragsforschung für Industrie und akademische Einrichtungen an. Spezialisiert auf innovative bioanalytische Dienstleistungen, verfügt das Institut über eine starke Expertise in maßgeschneiderten Immunogenitätsbewertungen, wobei unerwünschte Wirkungen und Nebenwirkungen von Proteintherapeutika auf das Immunsystem untersucht werden. Die Daten werden in präklinischen und klinischen Studien erhoben und dienen den zuständigen Behörden zur Beurteilung und Bewertung von Medikamenten. Um den damit einhergehenden hohen Anforderungen zu entsprechen, erfolgt die Qualitätssicherung nach den Industriestandards Good Laboratory Practice (GLP) und Good Clinical Practice (GCP), welche laufend von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), von internationalen Zulassungsbehörden oder von der Industrie überprüft werden. Damit ist das Institut Krems Bioanalytik eine von wenigen Einrichtungen in Österreich, die auf höchstem Niveau qualitätsgesicherte Auftragsforschung für die pharmazeutische Industrie anbieten kann. Mit dem erfolgreichen Einwerben einer FFG-Förderung für ihr Projekt „Biomedizinische Proteomik zur Charakterisierung der humanen Immunantwort für die gezielte Entwicklung von Biotherapeutika“, arbeiten Benjamin Neuditschko und Franz Herzog nun am Aufbau eines Labors für Biomedizinische Massenspektrometrie am Institut Krems Bioanalytik. Hier wird an Methoden zur Charakterisierung der humanen Immunantwort auf molekularer Ebene geforscht und damit die Basis für die zielgerichtete Entwicklung von effizienten Immuntherapien geschaffen werden.


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